Verordnung Die Niedersächsische Landesregierung hat vergangene Woche einen weiteren Schritt für das Gelingen der Energiewende beschlossen: die Freiflächensolaranlagen-Verordnung. Lesen Sie, was sie beinhaltet.
Durch die Niedersächsische Freiflächensolaranlagenverordnung haben künftig niedersächsische Projekte bessere Chancen bei den Ausschreibungen der Bundesnetzagentur für Solarparks auf Freiflächen. So soll die Ausbaugeschwindigkeit bei der Solarenergie vorangetrieben werden. Welche Photovoltaik-Anlagen (PV) mit einer Leistung von mehr als 750 kW gebaut werden dürfen, wird in einem Bieterverfahren durch die Bundesnetzagentur ermittelt. Die einzelnen Bundesländer legen dabei fest, ob daran auch Anlagen auf sogenannten Benachteiligten Gebieten, also für die Landwirtschaft eher ertragsschwachen Standorten, teilnehmen können. Bayern und Baden-Württemberg hatten eine entsprechende Freiflächensolarverordnung 2017 erlassen.
Energie- und Klimaschutzminister Olaf Lies sagte dazu: „Die Freiflächensolaranlagenverordnung ist ein wichtiger Schritt, um Niedersachsen als Land der Energiewende weiter voranzubringen. Mit der Verordnung verbessern wir die Chancen niedersächsischer Freiflächensolarprojekte, einen Zuschlag bei Ausschreibungen der Bundesnetzagentur zu bekommen. Wir schaffen damit eine bessere Ausgangsposition im Wettbewerb mit Projekten aus anderen Bundesländern.“ Silke Weyberg, LEE-Geschäftsführerin, ist im Prinzip damit einverstanden: „Wir begrüßen grundsätzlich die Öffnungsklausel, die Niedersachsen mit der neuen Verordnung geschaffen hat. Um den von der Landesregierung angestrebten Ausbau von 15 Gigawatt Freiflächensolar bis 2040 zu erreichen, müssen wir aber ungefähr 800 Megawatt pro Jahr zubauen. Davon werden maximal 150 Megawatt auf Benachteiligten Gebieten errichtet.“
Für Landwirte eminent wichtig sind der Flächenstatus und Subventionen: Durch den Bau einer PV-Freiflächenanlage ist es nicht mehr möglich, EU-Agrarbeihilfen für die Bewirtschaftung der Fläche zu erhalten. In §12 Abs. 3 Nr. 6 der Direktzahlungen-Durchführungsverordnung (DirektZahl-DurchfV) wird festgelegt, dass eine Fläche nicht mehr als landwirtschaftliche Fläche eingestuft wird, sobald sie „zur Nutzung von solarer Strahlungsenergie gebraucht wird“. Allerdings wurde bereits in Gerichtsurteilen entschieden, dass Direktzahlungen trotz Doppelnutzung möglich sind (Verwaltungsgericht Regensburg 2018 und Verwaltungsgerichtshof München 2016). Die ursprüngliche Nutzungsart sollte als weitere Nutzungsart nach Rückbau der Anlage im Bebauungsplan festgelegt werden. Grundsätzlich ist für die Realisierung von PV-Freiflächenanlagen die Ausweisung eines Sondernutzungsgebietes (z.B. „Sondergebiet zur Nutzung solarer Strahlungsenergie“) notwendig. Dies stellt einen planungsrechtlichen Status dar. Ob mit diesem Status noch weiterhin EU-Agrar-Förderungen möglich sind, ist noch nicht abschließend geklärt.
Kritisch ist aber zu sehen, dass mit den neuen Möglichkeiten auch der Druck auf die landwirtschaftlich genutzte Fläche zunimmt. Landwirte berichten, dass Investoren und Projektierer sie am Telefon oder per E-Mail bedrängen. Geboten werden mindestens 2.000 Euro je Hektar und Jahr. Teilweise reicht die Spanne sogar bis zu 3.000 Euro je Hektar und Jahr. “Landwirte sollten jedoch keineswegs vorschnell unterschreiben“ warnt Harald Wedemeyer, Referent für Energie und Recht beim niedersächsischen Landvolk. Denn zum einen können Betriebe, die für die landwirtschaftliche Nutzung auf die Flächen angewiesen sind, bei diesen Pachtpreisen nicht mithalten. Zum anderen beinhalten die vorgelegten Verträge auch Laufzeiten von 20 oder gar 30 Jahren. Der gezahlte Pachtpreis könnte dann auf längere Sicht sogar zu niedrig sein. Denn wenn nach dem Ausstieg aus der Atomenergie auch die Kohlekraftwerke stillgelegt werden, dürften die Strompreise weiter steigen. Außerdem suchen mehr Industriebetriebe nach einer Möglichkeit, Grünstrom direkt zu beziehen. Mit diesen sogenannten Power-Purchase-Agreements (PPA) sind für die Erzeuger ganz andere Renditen realistisch. Welche Optionen es gibt und wie Landwirte jetzt handeln sollten, soll in einer der nächsten Ausgaben der LAND & FORST ein Interview mit Harald Wedemeyer klären.
Bereits mit der letzten Novellierung ist es möglich geworden, einen breiteren Streifen entlang von Verkehrswegen für PV-Anlagen zu nutzen. „Wir setzen uns daher dafür ein, auch die Seitenrandstreifen der vorhandenen Infrastruktur bis zu 200 Meter entlang Autobahnen und Schienenwegen zu nutzen. Zurzeit liegt auf diesen Flächen größtenteils ein sogenannter landwirtschaftlicher Vorbehalt, der eine Nutzung für PV-Freiflächenanlagen ausschließt. Wir wünschen uns, dass die Freiflächenverordnung für Korridore an den Verkehrs-Trassen eine gleichlautende Regelung wie für Benachteiligte Gebiete erhält“, erklärt LEE-Geschäftsführerin Silke Weyberg. Die Entscheidung über die Errichtung von Freiflächen-PV liegt bei den Kommunen. Das sei laut Lies auch dringend nötig: „Uns rennt sonst die Zeit davon. Bis 2040 brauchen wir 65 Gigawatt installierte PV-Leistung, davon 15 Gigawatt auf Freiflächen. Derzeit beträgt die Stromkapazität aus Solarenergie in Niedersachsen allerdings nur 4,6 Gigawatt. Wir müssen also deutlich schneller werden. Die Photovoltaik-Pflicht auf Gewerbeneubauten war ein Schritt – dieser neue Erlass ist ein nächster.“
Auch Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern hatten in den vergangenen Jahren eine Öffnung für Benachteiligte Gebiete vorgenommen. Und Zuschläge in den Ausschreibungsrunden sind in der Vergangenheit praktisch ausnahmslos an Projekte aus den Bundesländern gegangen, die die benachteiligten Gebiete für PV-Projekte freigegeben haben. Von 103 Zuschlägen sind nur zwei nach Niedersachsen gegangen.
Die Freiflächensolaranlagenverordnung regelt dabei nicht, ob und wo Freiflächensolaranlagen tatsächlich gebaut werden. Das hängt vielmehr von der Entscheidung der Investoren und der konkreten Bauleitplanung der zuständigen Kommunen ab. „Da soll sie auch bleiben“, so Weyberg. Das müsse vor Ort geregelt werden. „Wir dürfen nicht Landwirtschaft und Erneuerbare Energien gegeneinander ausspielen“, warnt die LEE-Geschäftsführerin. Die Verordnung enthält eine jährliche Begrenzung dafür, in welchem Umfang Projekte aus den freigegebenen Gebieten an Ausschreibungen teilnehmen dürfen. Mit 150 MW ist diese im Vergleich zu anderen Bundesländern besonders großzügig und ausbaufreundlich gefasst. Die Höhe der Ausbaugrenze und deren Auswirkungen etwa auf ggf. konkurrierende landwirtschaftliche Nutzung von Flächen sollen regelmäßig evaluiert werden, erstmals zum 31. Dezember 2023.
Strom aus PV-Freiflächenanlagen kann nach dem EEG dann vergütet werden, wenn die zur Aufstellung genutzten Flächen im § 37 EEG (für Anlagen über 750 kWp) oder im § 48 EEG (für Anlagen unter 750 kWp) beschrieben sind. Dazu gehören versiegelte Flächen, Konversionsflächen, Flächen an Autobahnen bzw. Schienenwegen oder Flächen in benachteiligten Gebieten. Für die Nutzung von Acker- und Grünlandflächen im Sinne des EEG 2021 kommen zum einen Flächen infrage, die in einer Entfernung bis zu 200 Meter (gemessen vom äußeren Rand der befestigten Fahrbahn) längs von Autobahnen oder Schienenwegen liegen (inklusive eines ausgesparten Korridors von 15 Meter, um Wildwechsel zu ermöglichen). Nördlich von Hannover planen derzeit Investoren, entlang der A7 auf 14 ha landwirtschaftlicher Fläche in der Gemeinde Wedemark Freiflächen-PVAnlagen zu errichten. Die endgültige Entscheidung darüber ist jedoch noch nicht gefallen. Die LAND & FORST wird darüber berichten. Zusätzlich zu den etablierten PV-Freiflächenanlagen gibt es derzeit vermehrte Anstrengungen, durch sogenannte Agri-Photovoltaik den Anbau von Futter- oder Nahrungsmitteln mit der Errichtung und dem Betrieb von PV-Anlagen zu verbinden. Diese Möglichkeit wird im EEG 2021 in einer Sonderausschreibung eingeräumt. Dies kann auch eine Anpassungsstrategie an den Klimawandel darstellen, da z.B. die Tageshöchsttemperaturen unter einer Agri-PV-Anlage geringer sind, was förderlich für bestimmte Ackerfrüchte sein kann. Eine PV-Anlage kann also sogar nützlich für die Kulturen sein, etwa als Verdunstungs- oder Hagelschutz. Je nach Kultur ist auch die Verschattungswirkung positiv, sodass der Ertrag teilweise gesteigert und die Ernteausfallwahrscheinlichkeit verringert werden kann.
Bisher wurden 30 Prozent der in Deutschland installierten PV-Leistung als Freiflächenanlagen umgesetzt. Selbst wenn die Hälfte des bis 2050 weiter benötigten PV-Zubaus von 450 GWp ausschließlich auf landwirtschaftlichen Nutzflächen als Freiflächenanlagen realisiert würde, wären dafür lediglich zirca 1,3 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche nötig (Annahme: 1 ha Flächenbedarf pro 1 MWp). Bis zum Jahr 2040 sollen laut niedersächsischem Umweltministerium 65 GW aus PV-Strom kommen. Ende 2020 waren erst PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 4,6 GW installiert. Auf den landwirtschaftlichen Flächen, die das Land mit dem Erlass nun freigeben will, sollen PV-Anlagen mit einer Leistung von 15 GW installiert werden. In den letzten Jahren hat sich in dieser Hinsicht gar nichts getan.
Wissenschaftler erwarten, dass sich die aktuellen Rahmenbedingungen für PV-Freiflächenanlagen durch den technischen Fortschritt verbessern werden. Mit der weiteren Entwicklung der Technologie und der Verbesserung von Prozessen ist zum Beispiel für den Flächenbedarf eine Reduktion zu erwarten. Fläche wird auch für die Ausgleichsflächenregelung benötigt: Die zusätzliche Ausgleichsfläche hängt von der Qualität der Fläche und der Vornutzung ab. Der dafür relevante Kompensationsfaktor liegt bei PV-Freiflächenanlagen üblicherweise bei 0,2, also 20 Prozent. Dieser Faktor kann durch Umsetzung verschiedener Maßnahmen, welche der Ökologie zugutekommen, reduziert werden. Der LEE plädiert dafür, die Ausgleichsmaßnahmen auf der Fläche des Solarparks selbst umzusetzen, um so die Flächeninanspruchnahme zu vermindern. Dabei können schon bestimmte Flächen innerhalb der Anlage abgezogen werden, wenn z.B. die Modulreihen über fünf Meter weit auseinander stehen. In Bayern überlegt die Staatsregierung, alle nötigen Ausgleichsmaßnahmen im Regelfall innerhalb der PV-Freiflächenanlage zu ermöglichen.
Thomas Gaul
Quelle: LAND & FORST